Hexenliebe: Was ich beim Schreiben gelernt habe

Die Rolle der Kirche bei den Hexenverfolgungen

Bis zu meinen Buchrecherchen habe ich wie so viele meiner ersten Leser angenommen, dass die Kirche Motor der Hexenverfolgungen gewesen sei. Da ich wusste, dass der Hexenglaube in protestantischen wie in katholischen Gebieten gleichermaßen verbreitet war, lag es nahe zu glauben, übereifrige Diener Gottes hätten die Verfolgungen angestoßen.

Stattdessen war es selbst in Hochburgen mit kirchlich protegierter Verfolgung in der Regel das gemeine Volk, das einen Sündenbock für Unwetter und Missernten suchte und die Inhaftierung der Unholde verlangte. Vielerorts bildete man regelrechte Volksausschüsse, die sich diesem Zweck verschrieben.

Danach hing es vom Landesherrn ab, wie es weiterging. Dabei spielte es keine Rolle, ob es ein weltlicher oder geistlicher Fürst war. Unter den Fürstbischöfen von Würzburg und Bamberg oder dem hexengläubigen Abt des bei Trier gelegenen Klosters St. Maximin kamen große Teile der Bevölkerung ebenso elendiglich zu Tode wie in der unter weltlicher Herrschaft stehenden Hinteren Grafschaft Sponheim im Hunsrück und an der Mosel oder der Grafschaft Manderscheid-Blankenheim in der Eifel.

Natürlich dienten die Hexenprozesse allerorten auch dazu, missliebige Personen loszuwerden. An dieser Stelle seien nur zwei der zahllosen Beispiele genannt:

Im Jahr 1627 wurde die Kölner Postmeisterin Katharina Henot wahrscheinlich Opfer einer wirtschaftlich motivierten Intrige, die vom Besitzer der konkurrierenden Postlinie Thurn und Taxis ausging.

Der Fürstbischof Johann Georg II. Fuchs von Dornheim entledigte sich in den besonders grausamen Bamberger Verfolgungen reihenweise der Mitglieder des allzu mächtigen Stadtrats. Zu den ersten Verurteilten aus diesen Kreisen gehörte sogar sein eigener Kanzler, der mit seiner ganzen Familie als Hexer verbrannt wurde.

 

Über die frühen Gegner der Verfolgungen

Wer in Trier aufgewachsen ist und ein wenig Interesse an Geschichte hat, kennt den Jesuitenpater Friedrich Spee von Langenfeld. Er veröffentlichte unter einem Pseudonym im Jahr 1632 seine Cautio Criminalis, in der er sein „Rechtliches Bedenken gegen die Hexenprozesse“ mit unschlagbarer Logik darlegt.

Doch wer kennt Cornelius Loos, ebenfalls tätig als Theologieprofessor in Trier? Er verfasste fast vierzig Jahre vor Spee eine Replik auf die Hetzschrift des Trierer Weihbischofs Peter Binsfeld und wurde von einem eigens dazu herbei gerufenen päpstlichen Nuntius 1593 zum Widerruf gezwungen.

Auch weltliche Fürsten wandten sich schon weit vor Spee gegen den Irrsinn. Die Kurpfalz mit ihrer damaligen Hauptstadt Heidelberg liegt nach heutiger Rechnung kaum drei Autofahrstunden von den Eifelgrafschaften entfernt, in denen der Wahn zahllose Opfer forderte. Dort weigerte man sich schon in der Mitte des 16. Jahrhunderts, sich an Hexenverfolgungen zu beteiligen. Die protestantischen Landesfürsten widerstanden auch den einschlägigen „Volksbegehren“. Sie gewährten sogar Geflohenen Asyl, wie einem den entsetzlichen Ellwanger Bränden entkommenen Bäcker, der später zum Hofbäcker aufstieg.

 

Über die Rolle von Hebammen und Weisen Frauen

In vielen Romanen über Hexenverfolgung (und auch anderen Themen, die im Mittelalter und der Frühen Neuzeit spielen), stehen heil- und kräuterkundige Frauenfiguren im Mittelpunkt. Dies ist sicherlich zum einen der Tatsache geschuldet, dass historische Heilmethoden für viele Leserinnen (auch für mich selbst) seit jeher ein spannendes Hintergrundmotiv darstellten.

Bei Romanen über Hexenverfolgung stellte ich allerdings nie in Frage, dass insbesonders diese Frauen bevorzugt zu Opfern wurden. Was lag näher, als Kräuterfrauen zu Sündenböcken für fehlgeschlagene Heilungsversuche zu machen? Und wer hatte besseren Zugang zu ungetauften Neugeborenen als Hebammen?

Auch meine Recherchen über die Eifelprozesse schienen das zu bestätigen. Unter den hingerichteten Hexen im Ort Utscheid, die mir u.a. als Vorlage für meine Romanfiguren dienten, waren etliche Kräuterweiber, die mit weißer Magie arbeiteten, sowie die örtliche Hebamme.

Erst mit der Zeit erkannte ich, dass dies ein Zufall war. Da ich auch während des Schreibens viel Hintergrundliteratur las, erfuhr ich stattdessen, dass es historisch keineswegs belegt ist, dass vor allem diese Frauen als Hexen angeklagt wurden (obwohl sie andererseits bei keinen Massenverfolgungen fehlen).

Der Eifeler Heimat- und Hexenforscher Adolf Kettel führt die hohe Quote verurteilter Weiser Frauen in der Neuerburger Herrschaft darauf zurück, dass sie in Konkurrenz zu örtlichen Geistlichen standen, die mit Heilmitteln und Heilverfahren (durchaus ebenfalls aus dem Bereich der weißen Magie) einen hübschen Nebenverdienst erwarben, der durch die Frauen geschmälert wurde. Das ist aus psychologischer Sicht leider ebenfalls plausibel. Neid, Missgunst und andere negative Gefühle aller Art lassen sich tatsächlich als Motiv für Denunziationen aus vielen Hexenakten herauslesen.

Zu der Zeit, als mir klar wurde, dass ich mit der Konzentration auf verfolgte Kräuterfrauen einem Klischee aufgesessen war, hatte ich schon einen Teil des Romans geschrieben. So beließ ich es bei der Konzeption der Figuren der Magdalena Pirken und Zia Schreber als Kräuterfrauen, weise an dieser Stelle aber darauf hin, dass die Verfolgung Weiser Frauen keineswegs ein typischer Schwerpunkt bei Hexenprozesswellen war.

 

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