Die Frauenburg: Was ich beim Schreiben gelernt habe

Ausnahmen bestätigen die Regel

Ein wesentliches Motiv meines Romans „Blut und Seide“ war die Rechtlosigkeit selbst adliger Frauen im Mittelalter und ihre totale Abhängigkeit vom Ehemann oder Vater. Insofern ist Loretta von Starkenburg-Sponheim tatsächlich eine absolute Ausnahmeerscheinung im 14. Jahrhundert.

Nicht nur im ganzen damaligen Römisch-Deutschen Reich, sondern in ganz Europa kennt man in diesem Jahrhundert keine weitere Frau, die sich in dieser männerdominierten Welt ähnlich stark durchsetzen konnte wie Loretta. Dies ist insbesondere deshalb von noch größerer Bedeutung, als dass sie eine einfache Gräfin vom Lande war, keineswegs eine Königin oder sogar Kaiserin wie ihre berühmten mittelalterlichen Vorläuferinnen (z.B. Kaiserin Mathilde oder Eleonore von Aquitanien) aus früheren Jahrhunderten.

Warum sich Loretta von Starkenburg-Sponheim von einer jungen Frau, die möglicherweise sogar ohne ihr Einverständnis mit einem schwächlichen Mann verheiratet wurde, zu solch einer starken Regentin entwickelte, lassen die historischen Quellen weitgehend offen. Deutlich wird jedoch, dass Loretta in vieler Hinsicht weiblich dachte, aber männlich handelte.

Schriftstellerisch war es eine wunderbare Herausforderung, die Persönlichkeitsentwicklung einer solchen Frau aus psychologischer Sicht nachzuzeichnen, auch wenn dies in der Detailausformung natürlich überwiegend fiktiv ist. Denn die Quellen berichten lediglich von historischen Ereignissen und Lorettas realen Handlungen, nicht davon, wie sie sich zu der Frau entwickeln konnte, die sie schließlich geworden ist.

Aber, um eine meiner Lieblingsrezensentinnen zu zitieren: Ein guter historischer Roman vermittelt ein Bild, wie es gewesen sein könnte.

 

 

Kurfürst Balduin – Keusch oder Kämpfer?

Aufgewachsen in Trier, bin ich immer nur mit einem Bild des Kurfürsten und Erzbischofs Balduin konfrontiert worden: Er sei ein überaus frommer und gottesfürchtiger Mann gewesen. Dabei zeigt selbst seine Statue auf dem sogen. Balduinsbrunnen den Kurfürsten mit dem Schwert in der Hand.

Dies ist besonders interessant, weil Kirchenmännern der Kampf mit scharfen Waffen sogar ausdrücklich verboten war. Dennoch ließ sich Balduin in Erinnerung an die Begleitung seines Bruders Heinrich zur Kaiserkrönung in Rom sogar noch Jahrzehnte später als Kämpfer abbilden, der einem Gegner den Schädel spaltet.

Bei der Erweiterung seines Territoriums zu einem Gebiet, welches weitaus größer war als zu Beginn seiner Amtszeit, war Balduin ebenfalls alles andere als zimperlich. Rücksichtslos nutzte er das Recht des Stärkeren und eignete sich ein Gebiet nach dem anderen an (nach unserem heutigen Rechtsverständnis häufig auf unrechtmäßige Weise).

Es liegt daher nahe, in ihm keineswegs den asketischen Gottesmann zu sehen, als den ihn manche Historiker gerne beschreiben. Stattdessen war er mit einiger Sicherheit auch in anderer Hinsicht ein eher weltlich gesinnter Lebemann, der es insbesondere mit dem Gebot der Keuschheit nicht allzu genau nahm. Mit einer asketischen Lebensart wäre Balduin nämlich eher die Ausnahme als die Regel unter den geistlichen Fürsten seiner Zeit gewesen.

Letztlich ist Balduins Beziehung zu Loretta von Starkenburg-Sponheim historisch zwar nicht wirklich belegt. Es gibt jedoch auffällig viele Indizien, dass es mehr als eine politische Beziehung war, die die beiden miteinander verband.

 

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