Die erste Rezension einer Journalistin

Rezension Blut und Seide

Von Wilma Werle, Freier Journalist

 

Blut und Seide ist ein historischer Roman, der sowohl zeitlich als auch räumlich wesentlich breiter aufgestellt ist als Hexenliebe, der Debütroman von Marita Spang, für den sie auf Anhieb mit dem Goldenen Homer ausgezeichnet wurde. Und im Gegensatz zu Hexenliebe gibt es - so viel sei verraten – ein Happy End. Doch um welchen Preis?!?

Über 800 Seiten sollten nicht davon abhalten, das Buch zu lesen, denn der Schreibstil ist flüssig und in sich schlüssig. Das Buch ist spannend von der ersten bis zur letzten Seite; auch nach einer Lesepause ist der Einstieg in den Text einfach, da der Aufbau gut gegliedert und verständlich ist. Blut und Seide entführt in die Wirren des 13. Jahrhunderts, in die Zeit der Burgen, Ritter und Edelfräuleins, spart nicht mit starken Bildern von Kämpfen oder Vergewaltigungen, die zum Teil wirklich unter die Haut gehen, und nimmt den Leser mit in eine Zeit, als hohe Ideale und Frauenrechte tagtäglich mit Füßen getreten wurden.

Blut und Seide ist aber viel mehr als ein auf den ersten Blick nur historischer Roman: Er zeichnet das Psychogramm einer Gesellschaft - damals wie heute! All die Charaktere kennt der Leser: Da ist Simon, die Hauptfigur, der schon als kleines Kind erfahren muss, wie Verlust und Misshandlung das ganze Leben verändern und fortan bestimmen können. Da ist die tapfere Christina, die – gefangen in den von außen festgesetzten Zwängen – mit Tricks, Kniffen und ungeahnten Kräften versucht, ihren Traum zu verwirklichen. Sie hält durch, auch wenn das Leben ihr mehr als übel mitspielt. Da ist Michel, der treue Waffenknecht, immer zur Stelle, wenn er gebraucht wird. Einer, der nie viel Aufheben um seine Person macht und dem man ein bisschen Glück wirklich gönnt. Sein Leiden berührt genau deswegen so sehr das Leserherz. Da ist der feiste Kirchenfürst, widerlich in seinem Gehabe, dem alle Ränke Recht sind, um seine Macht zu erhalten und auszubauen. Er ist einer, der die Menschen nur benutzt, um Erfolg zu haben. Und da ist Heinrich, einer der glaubt, immer zu kurz zu kommen, der von dem Gefühl zerfressen wird, jemand anderes bekomme genau das, was eigentlich ihm zustünde.  All diese Typen kennt man: im Freundeskreis, unter den Kollegen, in der eigenen Familie. Es sind die Gefühle, die die Charaktere in Blut und Seide ausmachen, denn genau von diesen Gefühlen lassen sich die Protagonisten leiten: von Hass und Neid, von der Sehnsucht nach Rache und Vergeltung, aber auch von Mut, Treue und Liebe. Sie bestimmen ihr Tun und Handeln.

Fürwahr, Blut und Seide ist in seinem Plot ein historischer Roman. Doch die Entwicklung der einzelnen Figuren lässt ahnen, dass Marita Spang beim Schreiben auf ihre Erfahrungen als Psychologin zurückgegriffen hat. Deutlich skizziert sie die unterschiedlichen Figuren, ihre Wesensmerkmale, aber auch ihre Widersprüche. All die Simons, Christinas, Michels und Heinrichs gibt es heute noch. Wer beim Lesen ehrlich genug ist, wird sich selbst entdecken.

Meiner Meinung nach hat Marita Spang mit Blut und Seide ihr Erstlingswerk getoppt. Das gelingt nur wenigen Autoren. Kompliment.

 

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