Blut und Seide: Was ich beim Schreiben gelernt habe

Über Gewalt im Mittelalter

Das Mittelalter war eine äußerst gewalttätige Zeit. Damals hatten die Menschen zu Gewalt ein ganz anderes Verhältnis, als wir es heute zumindest in der westlichen Welt haben.

Gewalt zog sich durch alle Lebensbereiche der Menschen. Die Züchtigung von Kindern und auch Frauen (siehe nächstes Kapitel) galt als charakterbildend und gehörte daher zu den Pflichten des Familienoberhauptes.

Gefängnisstrafen für das einfache Volk waren unbekannt. Stattdessen gab es sog. Leibesstrafen, die von eher milden Formen wie Auspeitschen (!!) über bleibende Verstümmelungen (Abhacken einer Hand bei Diebstahl) bis hin zum Rädern für schwere Verbrechen wie Raub und Mord reichten. Bereits siebenjährige Kinder konnten auf diese Weise bestraft werden.

Der Vollzug solcher Strafen war im Mittelalter ein öffentliches Spektakel, das Menschen von nah und fern anzog. Es war vergleichbar mit unseren heutigen Volksfesten und lässt uns im Rückblick daran zweifeln, ob sich seit den römischen Gladiatorenkämpfen wirklich etwas durch die christliche Moral verändert hatte.

Am schlimmsten für die gewöhnliche Bevölkerung waren jedoch die immer wiederkehrenden kriegerischen Auseinandersetzungen. Ob sie sich nun auf der höchsten politischen Ebene abspielten, wie die Kämpfe des ersten deutschen Habsburger Königs Rudolf gegen seinen Rivalen Ottokar von Böhmen, oder als lokale Fehden, wie die zwischen dem Erzbischof von Mainz und den Sponheimern, immer zahlte das einfache Volk einen hohen Preis. Seine Lebensgrundlagen wurden vernichtet, Gräueltaten waren an der Tagesordnung und dienten dazu, die Moral des Gegners zu schwächen.

Viele meiner Leserinnen von „Hexenliebe“ haben gesagt, sie seien froh, nicht zu der damaligen Zeit (17. Jahrhundert) gelebt zu haben. Ich möchte das ergänzen: Eine Frau im Mittelalter wäre ich auch nicht gerne gewesen.

 

Über die Stellung der Frau im Mittelalter

Dass es sogar schon einige Jahrhunderte vor der Zeit meines Romans „Blut und Seide“ mächtige Frauen gab, die wie die Kaiserinnen Adelheid und Theophanu als Gattinnen der Kaiser aus dem Geschlecht der Ottonen auch hohen politischen Einfluss nahmen, vermittelt von der wahren Stellung der Frau zu dieser Zeit ein verzerrtes Bild. Sie wurde zudem über die Jahrhunderte hinweg sogar eher schwächer als stärker.

Im Hochmittelalter herrschte in Europa das Patriarchat in seiner reinsten Form. Wichtige Kirchenlehrer wie Thomas von Aquin hielten die Frau in vielerlei Hinsicht für das minderwertigere Geschöpf im Vergleich zum Mann, dem sie vorbehaltlos zu dienen hatte.

Dies führte dazu, dass eine Frau ihr Leben lang unter der Vormundschaft („Muntgewalt“) eines Mannes stand. Der Vater übergab sie in die Gewalt des Ehemannes, wurde sie kinderlos Witwe, übernahm erneut der Vater die Vormundschaft, ansonsten der älteste lebende Sohn. Auch entfernte männliche Verwandte wurden als Vormund bestellt, wenn es keine engeren männlichen Angehörigen gab.

In der Ehe hatte die Frau gegenüber dem Mann kaum Rechte. Sie hatte ihm genau wie die Kinder vorbehaltlos zu gehorchen und durfte auch wie diese gezüchtigt werden. Manche Kirchenlehrer empfahlen dies sogar, um der von Beginn ihres Lebens an mit der Erbsünde belasteten Frau auf diese Weise zum Seelenheil zu verhelfen.

Die Herrschaft des Mannes über die Frau ging sogar so weit, dass Ehemänner ihre Frauen zur Strafe für ein Vergehen töten durften. Selbst wenn sich dieses Vergehen danach als gegenstandslos herausstellte, hatte der Mann schlimmstenfalls eine Kirchenbuße nach der Beichte zu befürchten, keinesfalls jedoch die Verfolgung seiner Tat durch ein weltliches Gericht.

Hauptgrund für die Tötung von Ehefrauen in Adelskreisen (vom einfachen Volk sind konkrete Tatsachen kaum überliefert), war vollzogener oder vermeintlicher Ehebruch. Dagegen durfte sich der Mann völlig ungeniert Kebsweiber (das waren unfreie Nebenfrauen) halten oder sogar neben der regulären Gattin eine sog. „Friedelehe“ mit einer zweiten Frau eingehen, nach unseren heutigen Rechtsbegriffen also straflos in Bigamie leben.

 

Über den ersten Habsburger auf dem deutschen Thron

Im Jahr 1273 wurde der unbedeutende Graf Rudolf von der Habichtsburg im schweizerischen Aargau von der Mehrzahl der Kurfürsten zum deutschen König gewählt. Dies war eine überwiegend taktische Wahl. Man wollte verhindern, dass der weit mächtigere Anwärter auf den deutschen Thron, Ottokar II. von Böhmen, zum Zug kam, und die Rechte der deutschen Fürsten beschnitt.

Allerdings hatte sich das Wahlgremium gründlich in Rudolf geirrt. Der unscheinbare Mann, körperlich unattraktiv und bereits Mitte Fünfzig, ließ sich die Macht nicht mehr aus der Hand nehmen. Er beendete damit die Zeit der Anarchie, die im deutschen Reich seit dem Tod des letzten Stauferkaisers Friedrich II. im Jahr 1250 herrschte, und besiegte seinen Rivalen Ottokar 1278 in der Schlacht auf dem Marchfeld.

Dennoch war Rudolf keineswegs die Lichtgestalt, wie ihn insbesondere die Deutschen im 19. Jahrhundert sehen wollten. Er hatte selbst für das Rechtsempfinden seiner Zeitgenossen ausgesprochen miese Charakterzüge und stand seinem Rivalen Ottokar diesbezüglich in nichts nach. So ließ er zum Beispiel die nackte Leiche des in der Schlacht gefallenen Böhmenkönigs monatelang in Wien ausstellen, um alle Welt auf diese Weise davon zu überzeugen, dass Ottokar wirklich tot war.

Dennoch gelang es Rudolf nicht, die Macht bereits zu diesem Zeitpunkt für sein Geschlecht zu sichern. Er wurde nie zum Kaiser gekrönt und obwohl einige seiner Nachkommen ebenfalls den deutschen Thron bestiegen, gab es dazwischen noch mehr als 150 Jahre lang auch deutsche Könige und Kaiser aus anderen Adelshäusern. Erst ab dem Jahr 1439 stellten die Habsburger nahezu ununterbrochen die Herrscher des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation.

 

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