Tage des Schicksals: Was ich beim Schreiben gelernt habe

 

Über die Wohnverhältnisse der Arbeiterfamilien

Trotz der ausbeuterischen Bedingungen, unter denen viele Familien in den Fabriken arbeiten mussten, war bis ins 20. Jahrhundert die Landflucht ungebrochen: Tag für Tag strömten Menschen in die großen Industriestädte in der Hoffnung auf bessere Lebensbedingungen.

Dies führte nicht nur zu einem Überangebot verfügbarer Arbeitskräfte, was die Löhne beständig drückte, sondern vor allem zu einer dramatischen Verknappung des Wohnraums. Überall schossen vielstöckige Mietskasernen in die Höhe, ein bürgerlich repräsentables Vorderhaus konnte bis zu sieben Hinterhäuser haben, die nur über düstere, oft verwahrloste Hinterhöfe zu erreichen waren.

Hier lebten oft acht oder mehr Personen in einem einzigen Raum, in dem gekocht, geschlafen und in vielen Fällen auch Heimarbeit betrieben wurde. Diese Einzimmerwohnungen waren schlecht zu beheizen, schwer zu belüften und aufgrund der höheren Vorderhäuser auch am helllichten Tag düster. Feuchtigkeit und Schimmel begünstigten typische Armutskrankheiten, allen voran die Tuberkulose, für die es im 19. Jahrhundert lange kein Heilmittel gab.

Unbeschreiblich waren auch die sanitären Verhältnisse. Bis zu zwanzig Familien teilten sich einen außerhalb der Wohnungen gelegenen einzigen Abort und Wasseranschluss.

Während sich die Arbeitsbedingungen im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert durch den Einfluss der zunehmend stärker werdenden Gewerkschaften langsam besserten, blieb die extreme Wohnungsnot, insbesondere in Großstädten wie Berlin oder Wien, bis weit ins 20. Jahrhundert ein ungelöstes Problem.

 

Über den Beginn der Frauenrechtsbewegung

Frauen in Deutschland war im 19. Jahrhundert sowohl die Mitgliedschaft in einer politischen Partei als auch die Teilnahme an politischen Versammlungen verboten. Bis 1918 waren sie vom Wahlrecht ausgeschlossen.

Trotzdem lassen sich die Anfänge der Frauenrechtsbewegung spätestens in den Achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts erkennen. Ihre Vorreiterinnen stammten wie Gertrud Guillaume-Schack, die 1886 die erste Arbeiterinnenzeitung „Die Staatsbürgerin“ gründete, sowohl aus bürgerlichen als auch, wie die Frauenrechtlerinnen Ottilie Baader oder die Österreicherin Adelheid Popp, aus Arbeiterkreisen.

Männlicher Vorreiter für die Gleichberechtigung der Frauen war August Bebel, der sich erstmals 1865 für mehr Frauenrechte einsetzte und dem Thema mit dem Werk „Die Frau und der Sozialismus“ sogar ein viel beachtetes und aufgelegtes Buch widmete. Bebel blieb jedoch selbst unter seinen sozialdemokratischen Mitstreitern, die wenig Interesse an Frauenrechten zeigten, lange Zeit eine Ausnahmeerscheinung.

Trotz der Bismarck’schen Sozialistengesetze, die jede politische Aktivität der Arbeiterbewegung für mehr als ein Jahrzehnt behinderten oder sogar unterdrückten, entstanden die ersten Arbeiterinnenvereine in den Achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts in vielen deutschen und österreichischen Städten. Sie litten, wie die Vereine ihrer männlichen Genossen, unter den Restriktionen der herrschenden politischen Regime und wurden häufig kurz nach ihrer Gründung bereits wieder verboten.

Doch bereits 1889 forderte die II. Internationale neben dem Acht-Stunden-Tag für alle Arbeitenden und dem 1. Mai als Weltfeiertag der Arbeiter gleiche Rechte für Männer und Frauen.

Der Anfang war gemacht. Doch der Weg zur Gleichberechtigung war weit und ist bis heute nicht abgeschlossen.

 

Über die große Katastrophe des europäischen Weinanbaus im 19. Jahrhundert: Die Reblaus.

Wer sich als Tourist schon einmal in einem gemütlichen Weinlokal namens „Die kleine Reblaus“ seinen Weiß- oder Rotwein schmecken ließ, wird in der Regel nicht ahnen, dass dieser winzige Schädling im 19. Jahrhundert nahezu den gesamten europäischen Weinanbau bedrohte.

Wie viele andere Schädlinge wurde auch die Reblaus aus Nordamerika nach Europa eingeschleppt, wahrscheinlich in der Mitte des 19. Jahrhunderts, als es durch die Dampfschifffahrt möglich wurde, auch Setzlinge anstelle der vorher üblichen Samen aus Übersee zu beziehen. Die europäischen Winzer machten eifrig von dieser Möglichkeit Gebrauch, bot sie ihnen doch die Gelegenheit, einer bereits einige Jahrzehnte früher eingeschleppten Pilzkrankheit, dem Echten Mehltau, mit dagegen resistenten Reben aus Nordamerika etwas entgegen zu setzen.

Doch wie in der Odyssee tauschte man ein Unheil gegen das nächste, weit schlimmere ein: Viele Jahre lang erkannte man gar nicht, warum Weinreben trotz ausreichender Bewässerung regelrecht zu verdorren schienen. Bis man in Südfrankreich im Jahr 1868 endlich die Reblaus, die das Wurzelwerk der Weinstöcke zerstört, als Verursacher erkannte, waren die meisten französischen Weinanbauflächen bereits verloren.

Aber auch als die Ursache bekannt war, blieb man in der Schädlingsbekämpfung noch viele Jahre lang ratlos. Von Zigeuner-Urin bis zu der giftigen Chemikalie Schwefelkohlenstoff, die zwar die Reblaus, aber auch jede sonstige Flora und Fauna in den Weinbergen vernichtete, versuchte man sich an vielen wirkungslosen oder sogar extrem schädlichen Mitteln.

Ein wirksames Gift gegen die Reblaus hat man bis heute nicht gefunden. Auf die zündende Idee, mit der man schließlich den europäischen Weinanbau vor der Vernichtung bewahrte, kam der Botaniker Jules Émile Planchon. Er übernahm die bereits aus dem Obstanbau bekannte Methode des Edelpropfens: Auf einen Wurzelstamm amerikanischer Reben, die erneut resistent gegen den aus ihrer Heimat stammenden Schädling waren, wurde ein europäischer Trieb gepfropft. Dies bewahrte die Wurzeln der Weinstöcke vor erneutem Reblausbefall, während die Trauben der in Europa gewohnten Qualität entsprachen.

Diese Methode ist noch heute für alle deutschen Winzer verbindlich, um den nach wie vor existierenden Schädling im Zaum zu halten.

 

Über den Adel in Deutschland und Österreich

Sowohl im Deutschen Reich als auch in Österreich-Ungarn betrachtete sich der Adel als die führende Gesellschaftsklasse. Hochmütig hielten sich seine Mitglieder sogar von der neureichen Bourgeoisie fern, die selbst nach nichts mehr als einem Adelstitel trachtete.

Kam es dennoch zu der immer häufiger auftretenden Vermischung von Angehörigen beider Gesellschaftsklassen, spielte dabei vor allem der Reichtum der häufig durch die Industrialisierung steinreich gewordenen Bourgeoisie eine Rolle: Denn sowohl in Deutschland als auch in Österreich erbte nur der älteste Sohn einer Adelsfamilie das gesamte bewegliche und unbewegliche Vermögen. Als so genannter „Majoratsherr“ teilte er seinen Geschwistern und anderen Verwandten eine mehr oder weniger hohe Apanage für ihren Lebensunterhalt zu.

Eine Braut aus reichem Hause mit hoher Mitgift war daher für die jüngeren Brüder eine durchaus attraktive Option.

Die typische Laufbahn, die nachgeborene Söhne oft einschlugen, war der Eintritt in die Armee. Dort begannen sie ihre Karriere nur aufgrund ihres Geburtsstandes in den meisten Fällen gleich als Offizier. Bis zur Abschaffung der Monarchie war Bürgerlichen sowohl im Deutschen Reich als auch in Österreich-Ungarn ein Offiziersposten häufig verwehrt.

Gemäß des Dünkels, der diesem Stand zugeschrieben wird, behandelten adelige Offiziere ihre bürgerlichen Untergebenen oft schlecht. Kaum je wurde ein adeliger Offizier zur Rechenschaft gezogen, wenn er sich gegenüber einem Bürgerlichen etwas zuschulden kommen gelassen hatte.

 

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