Licht und Schatten: Die Buchidee
Zur ursprünglichen Buchidee haben mich genau die beiden Aspekte „Künstlerszene“ und „Varietés“ inspiriert, die sich jetzt auch im Zweiteiler über Montmartre wiederfinden:
Bei einem Museumsbesuch habe ich mir vor Jahren im Shop eine stark heruntergesetzte Biografie über Toulouse-Lautrec gekauft, die mit der damals besuchten Ausstellung gar nichts zu tun hatte. Bis dahin kannte ich nur den Roman „Moulin Rouge“ von Pierre La Mure über sein Leben.
Bei meinen Recherchen stellte sich heraus, dass vieles im Roman stimmt, manches jedoch auch nicht oder sogar völlig fiktiv ist. Toulouse-Lautrecs Leben war jedenfalls vielschichtiger, als dieses Buch vermuten lässt. Lautrec verbrachte es keinesfalls überwiegend im Moulin Rouge, wie der Titel suggeriert. Er ist heute zwar außerdem einer der bekanntesten Maler dieser Zeit, war aber trotzdem nur ein Teil der riesigen Künstlergemeinde von Montmartre im späten 19. Jahrhundert.
Der zweite Zufluss zur Buchidee war das 130. Jubiläum des Moulin Rouge im Jahr 2019. Das brachte mich ursprünglich auf die Idee, einen Roman mit dem Titel „Das Varieté“ über die Anfänge dieses, bis heute berühmten Etablissements zu schreiben.
Auch da belehrten mich meine späteren Recherchen darüber, dass es bereits vor dem Moulin Rouge viele damals bekannte Cabarets und Varietés in Montmartre gab. Sie spielen natürlich in den beiden Romanen eine beträchtliche Rolle.
Doch zunächst zerschlugen sich meine Pläne aus verschiedenen Gründen:
Zum einen wurde ich aufgefordert, über das KaDeWe in Berlin zu schreiben. Der Anlass war eine geplante Fernsehserie über das berühmte Kaufhaus, wobei ich das Buch dazu schreiben sollte. Zum Glück kam es nicht dazu, da die Filmfirma es ablehnte. Ein Buch zu dieser historisch unsäglich verfälschten Verfilmung hätte ich allerdings auch gar nicht schreiben wollen. Doch meine Recherchen waren bereits so weit gediehen, dass ich meine eigene Version über die Anfangsjahre des KaDeWe schrieb.
Zum anderen erschien genau in dieser Zeit ein Roman über La Goulue, die berühmteste Tänzerin im Moulin Rouge. Damit war das Thema erst einmal erledigt.
Erst als wir nach der Fertigstellung der beiden Bände über das KaDeWe neue Pläne schmiedeten, kam meine Idee, über das Moulin Rouge zu schreiben, wieder ins Gedächtnis. Und in einer wunderbaren Brainstorming-Sitzung wurde daraus das Projekt, über die gesamte Entwicklung des Stadtteils Montmartre ungefähr ab dem Jahr 1860, dem Datum seiner Eingemeindung in Paris, zu schreiben.
Von Anfang an war klar, dass es wie beim KaDeWe zwei weibliche Hauptfiguren sein sollen, die aus unterschiedlichen Milieus stammen. Erst im Laufe meiner Recherchen erkannte ich, dass dies die Verhältnisse in Montmartre perfekt widerspiegelt: Oben auf der Butte lebte im Slum der bitterarme Teil der Bevölkerung, der unter anderem durch die zahlreichen Stadtsanierungsmaßnahmen von Georges-Eugène Haussmann aus der Innenstadt vertrieben worden war. So wie auch die Großeltern von Elise, die sich von der mittellosen Wäscherin zur Startänzerin im Moulin Rouge hocharbeitet.
Valérie Dumas wiederum kommt als Tochter eines renommierten Kunsthändlers aus wohlhabenden Verhältnissen: Doch sie entwickelt den Ehrgeiz, es auch als Frau zu einer anerkannten Kunstmalerin zu bringen. Inmitten der berühmten und vielfältigen Kunstszene, deren Hauptprotagonisten natürlich als historische Persönlichkeiten in beiden Romanen eine große Rolle spielen.
Eine perfekte Themenmischung, die mich auch beim Schreiben von Band 2 noch immer begeistert.