Wer das Vergessen stört: Die Buchidee
Die Idee, mich an einem Spannungsroman zu versuchen, ist keineswegs brandneu:
Mein allererster Roman „Kinderjäger“ unter einem weiteren, heute nicht mehr genutzten Pseudonym (Mara Blum) erschien als Regio-Krimi mit einer Auflage von 1000 Stück im Jahr 2008 in Trier.
Obwohl er das Interesse eines großen Publikumsverlags erweckte, gab es leider doch keine Zusammenarbeit. Aus lauter Enttäuschung wollte ich das Schreiben schon aufgeben, bis ich auf die Buchidee zu meinem ersten historischen Roman „Hexenliebe“ stieß und mich seit der Veröffentlichung im Jahr 2014 erst einmal auf dieses Genre konzentrierte.
Irgendwann merkte ich allerdings, dass ich neben dem Schreiben historischer Romane nicht auch noch welche aus diesem Genre in meiner Freizeit lesen konnte. Das erinnerte mich zu sehr an meine aktuelle Schriftstellerinnentätigkeit und davon wollte ich auch einmal abschalten.
Also wandte ich mich verstärkt meinem zweiten Lieblings-Genre zu, den Psychothrillern, insbesondere den sogenannten Psychologischen Spannungsromanen. Zu meinen Lieblingsautorinnen in diesem Genre gehörte lange Jahre Elizabeth George. An ihren Romanen faszinierte mich, dass es nicht nur um die Aufklärung von Verbrechen ging, sondern auch immer ein psychologisches Spannungsfeld drumherum aufgebaut wurde. In der Regel hatte das Leitmotiv des Romans zudem mit der aktuellen Lebenssituation der Hauptfiguren zu tun. Unter anderem diese Idee habe ich von Elizabeth George für meine eigenen Spannungsromane übernommen.
Romane anderer Schriftsteller*innen in diesem Genre fand ich zwar häufig sehr fesselnd, die Charaktere allerdings oft psychologisch nicht plausibel, ebenso wenig wie die geschilderten Beziehungen. Das weckte meinen Ehrgeiz, es besser machen zu wollen.
Und als ich eines Tages zufällig auf den Echtfall stieß, der meinem aktuellen Spannungsroman „Wer das Vergessen stört“ zugrunde liegt, war die Idee geboren: warum nicht mein psychologisches Wissen, das ich insbesondere im ersten Jahrzehnt meiner Berufstätigkeit als Klinische Psychologin und Glaubwürdigkeitsgutachterin von Opfern und Straftätern erworben habe, verbinden mit meiner Schriftstellerei?
Als ausgebildeter Psychotherapeutin fiel es mir leicht, die Figur der Lily Brown zu konzipieren. Sie ist einerseits ehemalige Polizeipsychologin und verfügt daher noch über etliche Kontakte in die Szene, andererseits Psychotherapeutin in eigener Praxis.
Mit dieser Figur, die sicher mehr mit mir selbst gemeinsam hat als meine anderen weiblichen Hauptfiguren, wollte ich außerdem vermeiden, die x-te Kriminalkommissarin ins Rennen zu schicken. Denn davon gibt es aktuell in Buch und Film schon genug.
Genauso sorgfältig war ich darauf bedacht, den zahlreichen regional angesiedelten Kriminalromanen in Deutschland nicht noch einen weiteren hinzuzufügen. Gemordet wird hierzulande von der Ost- und Nordsee bis hinunter ins Allgäu. Deshalb kam es mir sehr entgegen, dass es für meine Lektorinnen bei dtv gar keine Frage war: die Romane sollten in England spielen, einem meiner Lieblingsreiseziele.
Canterbury als Schauplatz durfte ich mir selbst aussuchen. Und habe diese wunderbare Stadt auch deshalb ausgewählt, weil sie mir immer wieder aufgrund ihrer großartigen Historie einen winzig kleinen Abzweig in mein anderes Genre ermöglicht. Nicht nur im ersten Roman, auch in den folgenden werde ich zumindest kursorisch eine der historischen Stätten Canterburys beschreiben. Manche spielen sogar für die Auflösung meiner geplanten Fälle eine Rolle.
Eine letzte Idee habe ich wiederum von Elizabeth George übernommen: zumindest ihre ersten Romane, die ich besonders geliebt habe, kommen in der Regel ohne langatmig beschriebene DNA-Analysen, Faser-Expertisen und detailliert geschilderte Obduktionen aus. So halte ich es auch mit meiner „Laienermittlerin“ Lily Brown:
Sie setzt ihr psychologisches Wissen, ihren Verstand und ihre Kombinationsgabe ein, um die Cold Cases zu lösen, auf die sie per Zufall während ihrer Therapien stößt. Kriminalistische Fakten, die zusätzlich zur Aufklärung erforderlich sind, verschafft Lily ihr Lebensgefährte Dan Baker als Profiler bei Scotland Yard.
Nun bin ich natürlich mehr als gespannt darauf, ob diese Buchidee das gleiche begeisterte Publikum findet wie meine historischen Romane….